Foto: Jabs
Henri Cartier-Bresson
Man redet immer zu viel
Gespräche über das Leben, die Kunst und die Photographie
Das ist ein Büchlein für die Verehrer der hehren Kunst Henri Cartier-Bressons. In zwölf Interviews aus der Zeit von 1951 bis 1998 bemerkt der interessierte Leser, dass der göttlich Verehrte, wie jeder Sterbliche, seine Meinung im Zuge der Zeit ändert, er widerspricht sich auch mitunter. Man kann zahlreiche Gedanken über die Achtung, die Demut vor dem Leben nachvollziehen. Ihm geht es immer um die Neugier und das Mitgefühl für die Menschen.
Es ist angenehm, dass der große Fotograf bescheiden betont, dass das Gedöns um den ominösen “entscheidenden Augenblick” nicht sein Werk ist. Er stieß in den Memoiren des Cardinal de Retz (1613–1679) auf den Satz: »Es gibt nichts auf der Welt, das nicht einen entscheidenden Augenblick hätte.«
Ganz wichtig: Henri Cartier-Bresson verfolgt bei seiner Fotografie puristische Regeln: Leica-Kamera, Schwarzweißfilm, 50 mm-Objektiv, keine Filter, kein Blitzlicht, kein Bildbeschnitt – man muss sehen können! Allgegenwärtige Diskussionen um die Technik hält er für völlig überflüssig. Die Arbeit in der Dunkelkammer hat ihn nie sonderlich interessiert, die ließ er andere machen.
Zitate:
“Die Authentizität ist wohl die größte Tugend der Photographie.”
“Es gibt diejenigen, die erfinden und die, die offenbaren. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. In der Photographie gibt es diese beiden Aspekte ebenfalls. Mich interessieren nur die, die offenbaren; ich fühle mich solidarisch mit denen, die etwas entdecken wollen; für mich gibt es dabei viel mehr Risiken als beim Versuch, frei erfundene Bilder zu produzieren; und schließlich ist die Realität so reich!”
“Aber eines ist sicher: Photographieren ist keine Arbeit. Man arbeitet nicht, man lässt sich auf ein “anstrengendes Vergnügen” ein.”
“In der Photographie muss man wendig sein, spüren, dass etwas kommt, es erahnen.”
“Ich gebe keine Erklärung ab. Meine Photos sind da, ich kommentiere meine Photos nicht, ich habe nichts zu sagen. Man redet viel zu viel, man “denkt” viel zu viel. Es gibt Schulen für alles, in denen man alles lernt, und am Ende weiß man nichts, rein gar nichts. Es gibt keine Schule der Sensibilität, so etwas existiert nicht, ist undenkbar.”
“Kultur, Kunst… Ich weiß nicht. Ich habe gelebt. Es kommt darauf an, intensiv zu leben, auf die Intensität des Lebens.”