Bücher: Henry Miller: “Das Lächeln am Fuße der Leiter”

Foto: Jabs

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Henry Miller schrieb diese großartige Kurzgeschichte 1948.

Ein Clown will die Menschen in der Traumwelt des Zirkus nicht nur zum Lachen bringen. Mehr als ein Spaßmacher trachtet er danach, den Zuschauern auch Glückseligkeit zu schenken. Und daran scheitert er dramatisch.
Für mich ist die Erzählung eine Parabel auf das Leben: Der Mann strebt nach Höherem als das Leben ihm zu bieten hat. Wir sollten aber mehr Demut vor unserem eigenen kleinen Dasein haben.
“Oh, es war wundervoll, der Rolle ledig zu sein und völlig einzutauchen in die gestaltlose Gleichförmigkeit des Lebens, ein Staubkorn zu werden unter Millionen und dabei… ja, und dabei immer noch nützlich zu sein und teilzuhaben, inniger vielleicht als jemals zuvor. Welche Verblendung war es gewesen, zu glauben, dass er den Menschen einen großen Dienst erwies, wenn er sie zum Lachen, Schreien und Weinen brachte!
“Er empfing Größeres, feinere Nahrung der Seele – Lächeln.”
“Er wurde als menschliches Wesen wahrgenommen, das sich wohl von den anderen unterschied, aber dennoch ihrer Gemeinschaft unauflöslich zugehörte.”
“Er fühlte sich mit einer unversiegbaren Fülle von Güte begabt, und er war begierig, stets ein Übriges zu tun, mehr, als man von ihm verlangte. Man konnte niemals zu viel von ihm fordern – so bereit war er nun.” 
“Du verrichtest die Drecksarbeit und nimmst sie den anderen von der Schulter. Das macht sie glücklich, aber dich selbst noch viel mehr.”
Das Taschenbüchlein (Rowohlt, 1978) präsentiert ein gelungenes Zusammenspiel des Autors mit Illustrationen von Joan Miró.

Diverses: Deutsche Sprache

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Adjektiv “bierernst”

Der Ausdruck bierernst geht nach Heinz Küppers Illustriertem Lexikon der deutschen Umgangssprache (Band 1, Stuttgart 1982) auf die Annahme zurück, dass der Genuss einer entsprechenden Menge Weins beschwingt und fröhlich mache, dass Bier hingegen den Trinker gedankenschwer, dumpf und ernst stimme.
Heute bedeutet bierernst wohl: etwas zu ernst nehmen;
laut Duden: übermäßig, unangemessen ernst;
DWDS: übermäßiger, unangemessener Ernst;
Wiktionary: äußerst ernst, im Kontrast zu einer weniger ernsten Situation.
 
Franz Josef Degenhardt könnte zu diesem Thema anmerken: 
 
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich versteh’n,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergeh’n.
Ich möchte Weintrinker sein.

Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angeh’n,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streiten, die am Tresen steh’n.

Ich möchte Weintrinker sein,
bei’nem herben Roten oder leichten Weißen
um’ne Runde spielen, nach der keiner fragt,
ein paar Witze über den Verlierer reißen,
der ganz einfach nur darüber lacht.

Ich möchte Weintrinker sein,
nicht beim Schnaps um Zehntel Skat mit Hirschbock spielen,
wo man gierig Geld in seine Tasche wischt,
nicht dem Nachbarn heimlich in die Karten schielen,
ihn nicht schlagen, wenn er sich zwei Asse mischt.

Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen lachend ein paar Lieder singen,
die sich um Trinken, Mädchen und um Liebe dreh’n,
nebenbei ein bisschen reden von den Dingen,
die am Tag in einer kleinen Stadt gescheh’n.

Ich möchte Weintrinker sein,
nicht ab Mitternacht “Frau-Wirtin-Verse” grölen,
kein Soldatenlied und nicht den “Tag des Herrn”,
und nicht vom “Mitelabschnitt” irgendwas erzählen
und nichts von Hungerpest in Hongkong hör’n.

Ich möchte Weintrinker sein,
auf dem Nachhauseweg wie Kinder darauf achten,
dass man beim Bürgersteig nicht auf die Ritzen tritt,
und im Bett dran denken, wie die Mädchen lachten,
und im Schlaf noch lachen über meinen Schritt.
Ich möchte Weintrinker sein.

Bücher, Fussball: Torsten Schulz: “Mein Skandinavisches Viertel”

Foto, Grafik: Jabs

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Jimmy-2 Jimmy-3 Jimmy-4

Torsten Schulz konnte mich mit seinen Beobachtungen in dem Kiez, den ich auch ziemlich gut kenne, nicht begeistern. Die Geschichten sind mir einfach zu kleinkariert und bieder. Der Autor schreibt mir allzu persönlich, selbstbezogen und selbstverliebt. Ich fand wenig Überraschendes, Amüsantes.
Aber dann hat mich das Kapitel “Jimmy” mehr als aufhorchen lassen.
Das spricht allerdings gegen die oft bewährte Strategie “Wenn dich ein Buch nicht fesselt, dann lege es beiseite und deponiere es am besten in einem Bücherbaum. Lies einfach ein anderes Buch.”
Jedenfalls ist dieser Text zum geliebten Thema Fußball hervorragend!

(Das Foto habe ich gemacht. Die erste Seite gibt es in dem Buch nicht.)