Category Archives: Kino
Für jemanden, der mittlerweile dreieinhalb Jahrzehnte in einem Museum schuftet, sollte das Ansehen des Dokumentarfilms “Das große Museum” ein Muss sein.
Drehbuch, Regie und Kamera: Johannes Holzhausen. Der Mann webt mit leichter Hand einen schönen Bildteppich des Alltags, aber auch von Festtagen des 1891 erbauten Wiener Kunsthistorischen Museums. Der dominierende Eindruck ist einfach eine übergreifende und wohltuende Ruhe.
Kommentarlos und ohne musikalische Untermalung folgt man immer wieder den Fluchten des prächtigen Hauses in langen Kamerafahrten durch schier endlose Gänge. So begleitet man auch schon mal einen Kustos, der per Roller zum Drucker eilt.
Ausführlich dokumentiert sind vielfältige Reparaturen an der Bausubstanz des Museums, das ist bei alten Gebäuden unvermeidlich. Man sieht eine wunderbar alte und dann auch überraschend oft moderne Sammlungseinrichtung.
Präzise werden die finanziellen Probleme einen solchen Kulturtempels an der Person des coolen kaufmännischen Direktors aufgezeichnet. Ständig mahnt er an, dass die Leitung des Hauses und alle Mitarbeiter ihr Hauptaugenmerk darauf legen müssen, die Einrichtung nach außen immer wahnsinnig positiv darzustellen. Das “Wiener Kunsthistorische” erledigt dies mit veritablem Habsburger Mythos, grandiose Protagonistin ist dabei die Direktorin Sabine Haag.
Breiten Raum nimmt die Tätigkeit der technischen Angestellten ein. Sympathisch ist eine Szene, in der eine Aufsichtskraft (mit russischem Akzent) bei einer Belegschaftsversammlung vehement einen kollegialeren Umgang über die Abteilungsgrenzen hinweg einfordert. Nicht nur bei Weihnachtsfeiern bleiben die hierarchisch streng getrennten Gruppen unter sich. Das Problem wird “weggelächelt”. Toll ist auch, einen Restaurator zu beobachten, der bei der richtiggehend schweißtreibenden Tätigkeit schwer fluchend nahezu verzweifelt. Schön herausgestellt wird die Arbeit des Designers, der das neue Logo der “Kaiserlichen Schatzkammer” so klassisch, wie möglich gestaltete. Interessant war die Diskussion über die Entstehung eines Gemäldes von Peter Paul Rubens: Vielleicht hat der vermeintliche Schöpfers es über einen langen Zeitraum verändert und eventuell ein anderer Maler später zu Ende gebracht oder übermalt. Und dies geschah nach dem herrschenden Zeitgeschmack, so dass es möglichst teuer verkauft werden konnte. Einen Höhepunkt hat der Film bei der Schilderung der Abschiedsfeier eines Kustos. Der Verehrte wird mit einigen Worten und einer Urkunde in den Ruhestand entlassen Wenige Kollegen machen ihre Aufwartung – das ist wohl der Lauf der Zeit.
“Das große Museum” ist eine Art Liebeserklärung an das traditionelle Museumsdasein. Forschen, Sammeln und Ausstellen waren die Säulen der Daseinsberechtigung. Heute sind Marketing und bedingungslose Selbstdarstellung anscheinend Garantien für den Fortbestand der hehren Horte der Kunst und Naturgeschichte.
Im sehr gut besuchten Berliner Kino der Brotfabrik konnte dieses kleine Meisterwerk für 6 Euro Eintritt (ohne jede Werbung!) angesehen werden. Logisch erschien mir, dass im Leergutkasten am Ausgang viel mehr Wasser- als Bierflaschen landeten.
Kino: “Jack”
Edward Berger drehte einen sehr traurigen Film.
Ein zehnjähriger Junge irrt durch Berlin, um seine Mutter zu finden. Eigentlich rennt Jack ununterbrochen (die schauspielerische Leistung Ivo Pietzckers ist großartig). Die Kamera hastet mit ihm umher. Ganz ruhige Bilder entschleunigen mitunter die Handlung, irgendwann entfacht sie ein wahnsinniges Tempo. Brutale Szenen fordern den Zuschauer.
Alles dreht sich um Kindheit, die keine ist. Jack ist unvorstellbar selbstständig und viel zu erwachsen. Man ist wütend, dass der sympathische Junge kein Lausbube sein kann. Immer türmen sich neue Probleme auf, die er zu lösen versucht.
Wenige Erwachsene helfen.
Jack ist getragen vom hohen Gut der Bruderliebe zum fünfjährigen Manuel.
Meiner Meinung nach ist der Streifen ein herzzerreißendes Drama und eine beeindruckende Parabel auf die grausame Einsamkeit, die in der Großstadt unserer Tage herrschen kann.
Außer mir saßen in der Vorstellung nur noch ein vielleicht zehnjähriger Junge mit seiner Mutter.
Kino: “Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit”!
Kino lohnt sich, macht Spaß!
Es ist schwer zu glauben, aber vielleicht gibt es ja doch noch Leute, die “Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit” noch nicht angesehen haben.
Jedenfalls saßen in der heutigen Vorstellung nur wenige Zuschauer und ich musste belustigt feststellen, dass ich mich nicht erinnern kann, vorher schon mal der Jüngste gewesen zu sein. Vielleicht liegt das aber ganz einfach am Thema.
Dieses filmische Meisterwerk behandelt die unpopuläre Problematik Tod.
Dabei zeigt sich die grausame Vereinsamung vieler Zeitgenossen (Filmzitat: “Das Schönste ist doch ein gutes Grab mit guter Aussicht”.)
Was bleibt von uns erhalten, wenn wir das Zeitliche segnen?
Die Bedeutung der Familie wird überdeutlich – zum Glück habe ich zwei geratene Söhne!
Der hinreißende Streifen bringt alle nicht gerade aus Hartholz geschnitzten Charaktere zum hemmungslosen Weinen. Ich verlor Unmengen an Tränen und sah demzufolge viele Szenen verschwommen, konnte aber der stringenten Handlung stets folgen.
Ein Bonmot liefern zwei Penner mit einer Whiskyflasche in der Hand: “Das wünschen sich doch alle Männer: Eine tolle Frau, mit der man still sein kann.”
Der sensationelle Hauptdarsteller, Eddie Marsan, erforscht die Umstände des Ablebens von Menschen, die ihr Dasein anscheinend ohne Angehörige zubrachten, schreibt die Trauerreden, organisiert deren Beisetzungen und ist ständig der einzige Besucher. Die Stelle dieses auch in einem tristen Zuhause so akkurat arbeitenden Mannes wird wegrationalisiert. Ein neuer schleimiger, karrieregeiler, Audi-fahrender Vorgesetzter entlässt ihn: “Wenn es keine Hinterbliebenen gibt, muss es keine Beerdigungen geben.”
Hier ist mir die Geschichte ein Plädoyer für eine aussterbende Einstellung zur Arbeit. Dieser John May agiert sehr nachdenklich, äußerst akkurat, aber auch langsam. Ihn beschreibt eine Szene vortrefflich: Beim Überqueren einer augenscheinlich unbefahrenen Straße blickt er jeweils zweimal nach links und rechts. Seine Nachfolgerin im Beruf schafft da anders: Sie kippt mehrere Urnen mit der Asche von Verstorbenen im Akkord in eine Grube.
Das Filmende ist so dramatisch, wie die Handlung eigentlich unspektakulär erscheint.
Mr. May erfährt wundersame Veränderungen.
Vor Begeisterung schreckt man auf, wenn der Mann nach seinem letzten Arbeitstag die Nobelkarosse seines Chefs anpinkelt! Er legt die bislang omnipräsente Krawatte ab, sein Gesicht erstrahlt in umwerfendem Lächeln und er verabredet sich mit einer jungen Frau zum Tee.
Für diesen Film ist es konsequent, dass die Wandlung nicht ungesühnt bleibt.
Der Held verunglückt.
Die Beerdigung, die er zuletzt organisierte, wird von unverhofft vielen Trauergästen besucht.
Sein Sarg wird hingegen einsam und unbeweint zu Grabe gelassen.
Das Herz des Filmfreundes bricht endgültig.
Auch die vielleicht kitschige Schlussszene, wenn all die Menschen, deren Schicksal nach ihrem Tod diese gute Mensch ergründete, schemenhaft auf dem Friedhof erscheinen, trübt den Gesamteindruck dieses großartigen und so schön traurigen Filmwerks keinesfalls.
Ein Hilfsarbeiter im Krematorium resümiert brillant: “Sie sind was Besonderes, Mister May!”
Fussball, Kino: “Elf Freundinnen”
Dokumentarfilm über die Frauenfußballweltmeisterschaft 2011 heute um 21:45 Uhr in 3SAT:
Fussball, Kino: “Hoffenheim. Das Leben ist kein Heimspiel”
Ein Dokumentarfilm über den Parvenü-Verein aus dem Kraichgau!
Die TSG Hoffendem ist mittlerweile in der 1. Bundesliga angekommen und etabliert – der Mäzen Dietmar Hopp (“Unsere Tradition ist die Zukunft”) wird in den Fußballarenen nicht mehr permanent beleidigt.
Diese Entwicklung kann man durchaus als Blaupause für das befürchtete Erfolgsszenario von RB Leipzig betrachten.
Nostalgisch und wehmütig werden auch die alten Fans des Dorfvereins in der Dokumentation beobachtet.
Bleibt der ursprüngliche Fußball in der mediengesteuerten Gegenwart auf der Strecke?
Zu dieser Entwicklung tragen wir alle bei. Die Fernsehgelder sind doch die größte Einnahmequelle der Profivereine, wenn sie nicht gerade als BSG /Werksverein (Wolfsburg, Leverkusen) alimentiert oder von Milliardären als großzügige (oder berechnende) Gönner mit Kohle vollgestopft werden.
Fotografie, Kino: 37. Woche
Kino: Robin Williams hat sich abgemeldet
Kino: Bierland – Beerland
Ein junger Amerikaner versucht dem Geheimnis des intensiven Biertrinkens in deutschen Landen auf die Spur zu kommen.
“Bier ist ein Grundnahrungsmittel.”
“Bier ist flüssiges Brot.”
“Durst wird erst durch Bier schön .”
Kino, Musik: “Mistaken for Strangers” zurzeit im Kino
Anscheinend ein Dokumentarfilm über The National, eine Beatgruppe, die sich anschickt einen Weltrekord in ausverkauften Konzerten aufzustellen.
Ich liebe die vor Energie überbordende Musik der Band um den faszinierenden Sänger Matt Berninger. Dieser ständig Wein trinkende Typ hat Stil!
Vor vier Jahren wollte er seinem kleinen Bruder einen tollen Job verschaffen. Der Heavy Metal-Fan Tom Berninger wurde Roadie für eine große Tour und sollte eine Doku über die Tournee drehen. Sein Filmrepertoire beschränkte sich bis dahin auf wenige, wohl zu Hause oder im Garten aufgenommene Amateur-Splatter-Movies.
So misslang ein Konzertfilm über The National gründlich.
Nichtssagende Interviews, banale Bilder, ein Konzept ist nicht zu erkennen. Wenn mal vernünftige Sequenzen erscheinen, ist der Filmemacher im Bild, d.h. ein zweiter Kameramann war am Werk.
Tom Berninger versagte auch in seinem Job als “Mädchen für alles” auf der Konzertreise durch europäische Metropolen und wurde vom Tourmanager gefeuert.
Nach zwei Jahren wurde der immer noch bei seinen Eltern in Cincinatti lebende Stubenhocker von dem um sein Brüderchen besorgten Rockstar nach New York eingeladen.
Hier entstand dieser Film.
Es geht nur noch um das Verhältnis zwischen Tom und Matt. Die befragten Eltern attestiertem dem etwas verplanten, etwas versoffenen und verträumten kleinen Bruder durchaus künstlerisches Talent. Aber ebenso keine Konsequenz in seinem doch sorglosen Dasein.
Das war in der Kindheit so und änderte sich bis heute mitnichten.
Die gesamte Familie will, dass Tom endlich einmal etwas zu Ende bringt. Es geht um die Ausbildung eines gesunden Selbstbewusstseins!
Matt Berninger und seine Frau helfen beim Drehbuch, beim Schnitt und vor allem bei der Produktion (und der Finanzierung). Sie flehen Tom an: “Du musst an die Dinge glauben, die du an dir magst!”
Aber auch die Vorstellung des Rohschnitts vor einem Konzert im engen Bekanntenkreis endet in einem Desaster.
Der Film hinterlässt mich zwiespältig.
Weil mir The National so gefällt und man aus der Dokumentation mit Macht einen ansehbares Werk zu machen versucht.
“Mistaken for Strangers” ist ein Film über das Scheitern.
(Ein traurigschönes Zitat von The National: “Die Besten unter uns erhängen sich aus Liebe.”)
Kino: “Der Brottag”
Ein Dokumentarfilm für beinharte Cineasten, Freunde langer Kameraeinstellungen und Kenner der russischen Seele oder für diejenigen, die sich dafür interessieren.