Category Archives: Kino

Kino: “Bal – Honig”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

2010 gewann “Bal – Honig” verdient den Goldenen Bären bei der Berlinale.
Tolle Erzählung, großartige Bilder und überragendes Schauspiel eines siebenjährigen Jungen!
Aber eins meiner zahllosen Vorurteile wurde bestätigt: Auch der beste Fernsehbildschirm kann die Wirkung der Kinoleinwand (gerade bei so bildgewaltigen Filmen) nicht ersetzen:

 

Kino: Verwirrendes Kino

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Nur noch in ausgewählten Lichtspielhäusern:

“Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach”
Der aktuelle Streifen Roy Anderssons macht dem Zuschauer keine einfachen Geschenke, denn so sperrig der Titel ist, so verwirrend kommt die in 39 surrealen Episoden erzählte Geschichte daher.
Es gibt keine konsequente Handlung und sie erscheint mitunter absurd. Einzelne Bilder stehen mal für sich, einige Szenen finden doch eine Fortsetzung und vieles verstehe ich überhaupt nicht. Die Arrangements sind statisch und minimalistisch, erinnern oft an Edward Hopper-Gemälde. Die Einrichtung der Kneipen übertrifft in der Tristesse gar die der DDR-Mitropa-Bahnhofsgaststätten. Die Darsteller (viele Laien) gefallen schon mit einer äußeren Einzigartigkeit, die man sich scheinbar gar nicht besser ausdenken kann. Nicht neu ist, dass Trauerklöße in bestimmten Situationen auch rechte Spaßmacher geben können. Einige Sätze stehen wie Monolithe im Raum, werden ganz bewusst oft wiederholt, können den Kinofreund aber auch einlullen. Mir erscheint die Reduzierung der Farbsättigung des Film als Eiertanz. Der Anblick wird (sehr modern) blass, aber dadurch erscheinen viele Gesichter aschfahl – scheintot. Inhalt und Form kommen mir irgendwie artifiziell vor.
Übrigens gibt es auch einen Gewinner: Auf einer Fähre stirbt ein Mann, der gerade sein Menü bezahlt hatte. Nun rätselte die Mannschaft, wer denn das Essen übernehmen will. Da man eine Rechnung nicht zweimal buchen kann, soll es kostenlos weitergegeben werden. Eine Nebenfigur meldet sich, um wenigstens das nun schon schale Bier mit großer Freude zu trinken.
Herzhaftes Lachen erzeugen ein paar witzige Musikstücke.
Einen tieferen Sinn habe ich in dem skurrilen Film, der 2014, wie vom Feuilleton nicht unerwartet und von mir nicht nachvollziehbar, den Goldenen Löwen beim Festival in Venedig gewann, nicht gefunden.
Aber das ist bestimmt das Anliegen von Roy Andersson.

 

Kino: Mein Kinojahr 2014

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Mein ganz großer Lichtblick des vergangenen Jahres war:

Ida von Pawel Pawlikowski

Der Rest reicht nicht mal für die so beliebte Rubrik “Zehn sehenswerte Streifen”:
Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit – Uberto Pasolini
Winterschlaf – Bilge Ceylan
Nebraska – Alexander Payne
Jack – Edward Berger
Only Lovers Left Alive – Jim Jarmusch
Das große Museum – Johannes Holzhausen
Finding Vivian Maier – John Maloof & Charlie Siskel
Das Salz der Erde – Wim Wenders & Juliano Ribeiro

 

Kino: “Winterschlaf” von Bilge Ceylan

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Das Filmepos “Winterschlaf” von Bilge Ceylan hat 2014 in Cannes wohl zu Recht die Goldene Palme gewonnen.
Man muss einen wachen Tag erwischen und gute Kondition mitbringen, um dieses epische Leinwandereignis in der Gänze zu erleben. 196 außerordentlich spannende Filmminuten verlangen auch dem wohlwollenden Zuschauer einiges an Konzentration ab. Große Gedanken in schier endlosen, auch philosophischen Dialogen wollen verstanden werden. Beeindruckende Bilder unterstreichen die angenehm langsame Handlung. Das Teleobjektiv bringt die grandiosen Gesichter der alten Männer wirklich nahe, so herrlich faltig gezeichnet vom archaischen Leben in dieser kargen türkischen Landschaft. (Der Regisseur Ceylon ist auch ein international erfolgreicher Fotograf!) Viele Aufnahmen in der Dunkelheit oder bei pittoreskem Schneetreiben in einer Einöde verstärken visuell eine sich ausbreitende atmosphärische Kälte zwischen Hauptfiguren. Eine ständige inhaltliche Reibung zwischen alt und neu korrespondiert mit den räumlichen Gegebenheiten: Der Protagonist nutzt für seine Arbeit ein iBook im spartanisch eingerichteten Haus.
Thematisch geht es auch darum, dass Gutmenschen ihre menschliche Umgebung verzweifeln lassen können. Mitmenschen haben das Gefühl, zu ersticken. Es geht ständig um Schuld.
Die Hauptfigur versteht nicht, dass die Schwester vorgibt, das Böse zulassen zu wollen, um dem Übeltäter das Verwerfliche seiner Tat aufzuzeigen. (Ich übrigens auch nicht.) Am Ende scheint der narzisstische Held diese Welt wegen ihrer Unzulänglichkeiten zu hassen.
Vielleicht ist das Thema dieses von Gefühlen überbordenden Dramas die Frage des Verzeihen- und Nichtverzeihenkönnens.

http://www.spiegel.de/kultur/kino/winterschlaf-film-von-nuri-bilge-ceylan-a-1007422.html

Fotografie, Kino: “Das Salz der Erde”

alle Fotos: Sebastiao Salgado

alle Fotos: Sebastiao Salgado

Salgado_2 Salgado_3 Tigray, Ethiopia, 1985 Salgado_5 Salgado_6

Bei dieser Lobpreisung der Fotokunst Sebastiao Salgados saß in der Vorstellung ein geneigtes und aufmerksames Publikum: kein knisterndes Bonbonpapier, knackendes Popcorn, gluckerndes Bier war zu hören, auch keine gackernden Girlies.
Es herrschte bedächtige Ruhe – ein schöner Kinoabend.
Der Dokumentarfilm von Wim Wenders und dem Salgado-Sohn Juliano Ribeiro fasziniert mit betörenden Bildern: grandiose Schwarzweißfotos auf einer großen Leinwand!
Salgado verfolgte in seinem künstlerischen Schaffen langfristige Projekte, die oft von seiner Frau Lelia angeregt oder wenigstens unterstützt wurden. Zum Entstehen der Fotos erfährt der Zuschauer aber wenig. Wim Wenders setzt den Meister frontal vor seine Kamera und lässt ihn erzählen.
Die groß präsentierten Aufnahmen aus der Sahel-Zone sind mir unerträglich, unerträglich beeindruckend und trotzdem unglaublich ästhetisch, weil perfekt komponiert.
Die Arbeit im Bürgerkrieg in Ruanda ließ den Starfotografen verzweifeln. Der Glaube an die Menschheit schien gebrochen. Er fotografierte dann für sein bisher letztes Thema “Genesis” Tiere, Pflanzen und Landschaften (bei denen mir die Abbildung des Himmels zumeist eine Spur zu dramatisch gerät).
Auf seinem brasilianischen Grund und Boden restaurierte das Ehepaar Salgado einen Regenwald, es pflanzte dort 2,5 Millionen Bäume und machte das Land zu einem staatlichen Nationalpark.

Kino, Mattscheibe: Hochleistungssportler der DDR

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Das kleine Fernsehspiel, in dem das abenteuerliche und tragische Schicksal Ines Geipels im Mittelpunkt steht, würde ich mit einem Zitat von ihr überschreiben:

“Ich habe die Teilung des Landes im Bauch ausgetragen.”

Vielleicht gewährt diese Dokumentation differenzierte Einblicke in den überaus erfolgreichen Leistungssport dieses Landes, da den Film Sandra Kaudelka, eine ehemalige DDR-Meisterin machte.

Einige bemerkenswerte Zitate der Protagonisten:
Udo Beyer (immer glasklar pragmatisch und ehrlich):
“Leistungssport in der DDR war Kapitalismus im Sozialismus.”
“Man wird ja nicht nur Olympiasieger für Erich Honecker, sondern auch für 17 Millionen andere Menschen.”
“Träumen darf man, aber das sollte man nicht im  Leben.”
“Doping macht vielleicht zwei, drei Prozent aus, alles andere ist harte Arbeit.”
Marita Koch (wie auch früher immer noch sehr leise):
“Mancher glaubt noch heute bei uns besondere Geheimnisse entdecken zu können, dabei ist dieses sogenannte Geheimnis eine ganz normale Sache: der real existierende Sozialismus unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat.” (es bleibt offen, ob ihr diese Aussage diktiert wurde oder ihre Meinung ist)
Brita Baldus:
“Klar, Sieg für die DDR, aber nur für dich allein wird die Hymne gespielt und die Fahne hochgezogen. Da denkt man auch an niemanden, nur an sich.”
“Strohdoofe Weltrekordler in die Welt zu schicken, das funktioniert einfach nicht.”
Ines Geipel:
“Für jemanden, der zeitgleich im Gefängnis gesessen hat, ist natürlich ein DDR-Athlet ein Oberidiot, der nicht nach rechts oder links schaut.”
Zitiert wird Manfred Höppner (verurteilter Vizechef des Sportmedizinischen Dienstes):
“Bis auf Segeln und Künstlerische Sportgymnastik wurde in allen Sportarten gedopt.”