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Kino, Uckermark: “Landstück” von Volker Koepp

Foto: Jabs

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“Die Uckermark – hügelig wie die Toskana und leer wie Sibirien…”
Dieser Film von Volker Koepp macht sehr nachhdenklich! Gedreht wurde in der Nähe meines Heimatortes, nämlich in der Gegend um die Dörfer Gerswalde, Herrenstein, Flieth, Temmen, Kaakstedt…
In den Filmkritiken verspricht man grandiose Panoramen. Ich sah nur behutsame Kameraschwenks über gar nicht so begeisternde Landstriche (nach vielen wunderbaren Volker Koepp-Streifen mit der Kamera Thomas Plenerts zeichnete diesmal Lotta Kilian für die Bilder verantwortlich). Dabei ist es doch herrlich, wenn persönliche Erwartungen durchkreuzt werden und es der Dokumentation gelingt, den wohlwollend geneigten Zuseher an anderer Stelle “abzuholen”.
Meiner Meinung nach steht die ach so herb-schöne Uckermark als Landschaft auch nicht im Mittelpunkt, sondern es geht vielmehr um ökonomische und ökologische Probleme der Region.
Zugezogene berichten über von ihnen praktizierte aufwändige Bio-Landwirtschaft. Die Alteingesessenen erinneren sich an die arbeitsreichen und monotonen DDR-Zeiten. Die Männer sind bald gestorben und die einfachen, aber um so herzlicheren Frauen beklagen die Entvölkerung und soziale Entfremdung. Bemerkenswert ist allen, dass die hiesigen großen Ländereien nicht mehr von den Uckermarkern gekauft werden können, sondern ausnahmslos von Bodenspekulanten von weit weg (z.B. Restpostengroßhändlern oder Möbelfabrikanten).
Ganz allgemein aktuelle Umweltschutzprobleme erklärt der famos Zusammenhänge herstellende Wissenschaftler Prof. Roland Succow. Es macht große Freude, diesem brillanten Kopf und sensiblen Geist zuzuhören (und zuzusehen).
Lustig ist auch eine Geschichte, die der in Voßberg ansässige Kameramann Thomas Rosié erzählt. Er kennt einen Naturfilmer, der mit einer Arbeit mal ganz nachhaltig was veränderte. Dieser ermöglichte das Ende des in der DDR praktizierten melioratonstechnischen Verfüllens der zahlreichen Sölle auf den LPG-Feldern der Uckermark mit einer perfekten List…
Toll sind auch Koepps Rückblenden aus seinen Dokumentationen über den Norden von 1976 und 2002.
Der Regisseur des sehenswerten Dokumentarfilms “Landstück” lebt schon einige Jahre im uckermärkischen Herrnstein, das merkt man dieser Arbeit wohltuend an.

Kino: Todd Haynes: “Carol”

Foto: Jabs

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Die Tage zwischen dem Weihnachtstrubel und dem knallenden Jahreswechsel (“zwischen den Jahren”) versuchen die wenigen Berliner, die nicht aus der Stadt geflohen sind, gewöhnlich zu einem Kinobesuch zu nutzen. Oft ist es kalt im Prenzlauer Berg und die Lichtspielhäuser glücklicherweise spärlich besucht. Das macht genüssliches Filmeansehen viel wahrscheinlicher. 

Wie es sich gerade herausstellte, war ich in einem Frauenfilm. Fast alle Besucher waren weiblich und kamen als Pärchen, es gab kaum biertrinkende Männer, eigentlich nur einen. 
“Carol” ist auch noch ein Weihnachtsfilm. 
Dieser Film ist so angenehm ruhig. Er zeigt klasse Bilder, die von wunderbar entsättigten Farben getragen werden. 
Die Handlung entwickelt sich behutsam, wird aber auch von rasanten Tempoverschärfungen aufgelockert. Aber sie nimmt mich einfach nicht mit. Mir fehlen interessante Wendungen, der Streifen
ist mir rgendwie zu glatt.
Mein absoluter Höhepunkt an diesem Abend war die Erkenntnis, dass auch Frauen über vierzig wunderschön aussehen können – danke Cate Blanchett!

Kino: Der Die Das

Foto: Jabs

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Ein großartiger Dokumentarfilm über Erstklässler in Berlin-Wedding und deren Lehrer, welche auch mal behaupten: “Ihr wisst doch, dass ihr nicht für die Lehrer oder die Schule lernt, sondern für euch, für euer Leben.” – Das habe ich in der Schulzeit für völlig doof gehalten, ich lernte nur für eine möglichst gute Zensur.

Beim Ansehen des Films von Sophie Narr fiel ich vor Rührung regelrecht um, als ein von seinem Vater getrennt lebender Junge auf die Frage, was er denn gern mit seinem Papa machen würde, antwortete: “Auto fahren.” Die Filmemacherin setzte nach: “Und wohin würdest du am liebsten fahren?” Der Junge lächelte und sagte: “Ins Paradies!”

Kino: 140 Minuten ganz großes Kino: “Victoria” – keine Sekunde zu lang!

Foto: Jabs

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Der über den grünen Klee gelobte Film “Victoria” ist ein Kinoerlebnis der besonderen Güte, so was habe ich noch nie gesehen! 

Ein Meisterwerk aus deutschen Landen wurde gerade mit Preisen überhäuft und das völlig zurecht. 

Ob ihm allerdings die Publikumsgunst zuteil wird, wage ich zu bezweifeln. Die besuchte Vorstellung gab der Befürchtung Nahrung, garantieren doch hiesige Produktionen aus den Rubriken lustige Alzheimerkranke, Altersheimerlebnisse rüstiger Senioren oder zeitgenössische Märchenfilme mit den Synchronstimmen Fernsehbekannter traditionell mehr zahlende Zuschauer.
Sebastian Schipper drehte “Victoria” in einer einzigen Einstellung (Kamera: Sturla Brandth Grøvlen!).
Dieser brillante Streifen hat mich rundherum mitgenommen. Die Geschichte wird unglaublich intensiv, aber stringent erzählt, sie kommt angenehm uninszeniert daher. Die überragenden Akteure sind immer authentisch, schauspielern nicht. Atemberaubendes und anhaltendes Tempo hält die Spannung des Filmfreundes ständig hoch. Manchmal wähnt man den Verlauf einem Ende zustreben – zack! – tut sich eine erneute Wendung auf. Das macht viel Freude, man kann sich der Wirkung der Filmhandlung gar nicht entziehen. 
Die Filmmusik begleitet kongenial: Nils Frahm und DJ Koze.
(Befremdlich war aber eine mir unerklärliche Kleinschreibung von Dingwörtern in den deutschen Untertiteln.)