Category Archives: Bücher

Bücher: Erich Kästner “Im Auto über Land”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Im Auto über Land

An besonders schönen Tagen
ist der Himmel sozusagen
wie aus blauem Porzellan.
Und die Federwolken gleichen
weißen, zart getuschten Zeichen,
wie wir sie auf Schalen sahn.
Alle Welt fühlt sich gehoben,
blinzelt glücklich schräg nach oben
und bewundert die Natur.
Vater ruft, direkt verwegen:
“´n Wetter, glatt zum Eierlegen!”
(Na, er renommiert wohl nur.)

Und er steuert ohne Fehler
über Hügel und durch Täler.
Tante Paula wird es schlecht.
Doch die übrige Verwandtschaft
blickt begeistert in die Landschaft.
Und der Landschaft ist es recht.

Um den Kopf weht eine Brise
von besonnter Luft und Wiese,
dividiert durch viel Benzin.
Onkel Theobald berichtet,
was er alles sieht und sichtet.
Doch man sieht´s auch ohne ihn.

Den Gesang nach Kräften pflegend
und sich rhythmisch fortbewegend
strömt die Menschheit durchs Revier.
Immer rascher jagt der Wagen.
Und wir hören Vater sagen:
“Dauernd Wald, und nirgends Bier.”

Aber schließlich hilft sein Suchen.
Er kriegt Bier. Wir kriegen Kuchen.
Und das Auto ruht sich aus.
Tante schimpft auf die Gehälter.
Und allmählich wird es kälter.
Und dann fahren wir nach Haus.

Bücher, Musik: Franz Schubert: “Gute Nacht”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

“Gute Nacht”

Wilhelm Müller

Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh’ ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumenstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh’, –
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner Reisen
Nicht wählen mit der Zeit,
Muss selbst den Weg mir weisen
In dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten
Als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten
Such’ ich des Wildes Tritt.

Was soll ich länger weilen,
Dass man mich trieb hinaus?
Lass irre Hunde heulen
Vor ihres Herren Haus;
Die Liebe liebt das Wandern –
Gott hat sie so gemacht –
Von einem zu dem andern.
Fein Liebchen, gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören,
Wär schad’ um deine Ruh’,
Sollst meinen Tritt nicht hören –
Sacht, sacht die Türe zu!
Schreib’ im Vorübergehen
Ans Tor dir: Gute Nacht,
Damit du mögest sehen,
An dich hab’ ich gedacht.

https://www.youtube.com/watch?v=MFH8ZoV_zYQ

Ausstellungen, Bücher, Fotografie: Jörn Vanhöfen

Fotos: Jörn Vanhöfen

Fotos: Jörn Vanhöfen

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Thema “Zwischenzeit”:
Der Fotokünstler kam mit der Wende 1989 in den Osten und beobachtet das Leben in dieser stürmischen Zeit. Jörn Vanhöfen fand ruhige, beklemmende Motive.
Alles hat man schon mal gesehen. Diese Bilder hauen mich nicht um, sind aber hervorragend gemacht. Aufgenommen im Großformat hängen noch bis Ende Juli tolle Originalbarytabzüge an den Wänden der schicken Mitte-Galerie Kuckei & Kuckei. Sie haben auch ihren Preis: ein 40×50 cm Foto kann man für 2300 Euro erstehen.
Zur Ausstellung gibt es einen im Thomas Reche Verlag erschienenen Katalog. Das ist ist eine großartige Arbeit! Auf wunderschönem, warmen Papier brillant gedruckt, ist das Blättern und Ansehen ein haptischer und optischer Genuss.
Mit einem Text  Herta Müllers werden die Fotos zu einem Buch: “Herzwort und Kopfwort” (40 Euro). Die Literaturnobelpreisträgerin beleuchtet das Thema “Exil” aus unterschiedlichen biografischen Perspektiven.

Bücher, Fussball: Nick Hornby in “Fever Pitch”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Meine Lieblingszitate:

“Ich will damit nicht sagen, dass die gedankliche Beschäftigung mit Fußball grundsätzlich eine unpassende Verwendung der Fantasie ist…

Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte:                                                                                                                                                                                  plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden…

Ich tendiere dazu, den metaphorischen Wert des Fußballs zu überschätzen, und ihn deshalb in Unterhaltungen einführe, in die er einfach nicht hineingehört…

Mir wurde schon immer vorgeworfen, die Dinge, die ich liebe – natürlich Fußball, aber auch Bücher und Platten -, viel zu ernst zu nehmen, und ich empfinde tatsächlich eine Art Wut, wenn ich eine schlechte Platte höre oder wenn jemand sich für ein Buch, das mir sehr viel bedeutet, nicht sonderlich erwärmen kann…

Jetzt scheint mir, dass Erwachsenwerden vom Willen beherrscht ist, dass man wählen kann, ein Erwachsener zu werden, allerdings nur in bestimmten Augenblicken…

Ich weiß, was unterhaltsamer Fußball ist. Und ich habe die seltenen Anlässe geliebt, bei denen es gelungen ist, ihn zu produzieren…

Wir hatten Leidenschaften anstelle von Persönlichkeit…

Als ich geschrieben habe, dass Fußball auf mich entwicklungsverzögernd wirkt, habe ich das ernst gemeint…

Selbstverständlich ist Intelligenz bei einem Fußballer keine schlechte Sache, speziell bei einem Spielmacher,                                                                                                                                  obwohl diese Intelligenz nicht die gleiche Intelligenz ist, die man braucht, um, sagen wir mal, einen “schwierigen” europäischen Roman zu genießen.                                                                    Paul Gascoigne hat fußballerische Intelligenz im Überfluss, aber trotzdem ist es offensichtlich und legendär, dass ihm selbst Ansätze von gesundem Menschenverstand fehlen…

Es muss viele Väter überall im Land geben, die die grausamste und niederschmetternste aller Ablehnungen erleben mussten: Ihre Kinder wurden zu Anhängern des falschen Teams…

Mein ganzes fußballerisches Leben habe ich mit Menschen verbracht, die lernen mussten, vom Fußball ausgelöste Stimmungen zu tolerieren…

Du musst dich dem Leben verschreiben,das du dir ausgesucht hast. Und du hast es dir ausgesucht – die meisten Menschen tun noch nicht mal das…

Der natürliche Grundzustand des Fußballfans ist bittere Enttäuschung, egal wie es steht. Ich habe aber gelernt, das Elend, das der Fußball bietet, zu genießen.                                                            Woche für Woche, Jahr für Jahr, erscheinen wir in dem sicheren Wissen, dass uns das, was uns bevorsteht, zutiefst deprimieren wird…

Sport und das Leben, besonders das künstlerische Leben, entsprechen einander nicht genau. Eines der tollen Dinge am Sport ist seine grausamer Klarheit: Es gibt, zum Beispiel, nicht so etwas wie einen schlechten Einhundertmeterläufer oder einen hoffnungslosen Vorstopper, der Glück gehabt hat; im Sport wirst du entlarvt…

Der Fußball hat sich in über hundert Jahren nicht wirklich groß gewandelt:                                                                                                                                                                                                   Weil die Leidenschaften, die das Spiel hervorruft, alles verzehren, einschließlich Takt und gesunden Menschenverstand…

Also seid bitte denen gegenüber tolerant, die einen Augenblick im Sport als ihren schönsten Augenblick überhaupt beschreiben…

Je älter ich werde, desto unangemessener und reizloser ist die Tyrannei, die der Fußball über mein Leben und damit über das Leben der Menschen um mich herum ausübt…

Ich mache mir Sorgen, dass alles damit verschwinden und ich mit diesem riesengroßen Loch zurückbleiben würde, das der Fußball immer ausgefüllt hatte…”

(Auch durch Berichterstattung rund um die Fußballeuropameisterschaft lasse ich mir die Freude an dem Spiel nicht versalzen.)