Category Archives: Bücher

Bücher: Christoph Hein “Das Narrenschiff”

Foto: Paulus Ponizak

Foto: Paulus Ponizak

102-Christoph Hein

Wieder ein famoser Beitrag in der Berliner Zeitung.
(Interview: Anja Reich und Wiebke Hollersen mit einem schönem Foto von Paulus Ponizak)
Es wird ja sehr interessant, was Historiker zu den bislang ziemlich unbekannten Erkenntnissen zur DDR-Geschichte des Schriftstellers sagen. Ob dieser Roman Christoph Heins gar zur Pflichtlektüre für deutsche Schüler wird?

Bücher, Fussball: Der Fußballweltmeister Christoph Kramer hat ein Buch geschrieben: “Das Leben fing im Sommer an”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Ich mag den Fußballer Christoph Kramer, er ist mir als Mensch schon lange einfach mehr als angenehm.
WDR Talk Show, 22:30 bis 47:30 Min.:
(Mir ist sehr sympathisch, dass der Mann zugibt, ihm Verkaufszahlen seines Romans außerordentlich wichtig sind. (“Ich bleibe Leistungssportler, und Tabellenstände bestimmen mein Leben.”) Er hat wohl am Erscheinungstag sogar den Stapel seiner Bücher in der Buchhandlung umgeräumt, mehr in den Mittelpunkt gestellt.

Bücher: Ein Märchen

Foto: Jabs

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„Die Nachtigall und die Rose“  Oscar Wilde

“Sie sagte, sie würde mit mir tanzen, wenn ich ihr rote Rosen brächte”, rief der junge Student, “aber in meinem ganzen Garten ist keine rote Rose.” In ihrem Nest auf dem Eichbaum hörte ihn die Nachtigall, guckte durch das Laub und wunderte sich.

“Keine rote Rose in meinem ganzen Garten!” rief er, und seine schönen Augen waren voll Tränen. “Ach, an was für kleinen Dingen das Glück hängt. Alles habe ich gelesen, was weise Männer geschrieben haben, alle Geheimnisse der Philosophie sind mein, und wegen einer roten Rose ist mein Leben unglücklich und elend.”

“Das ist endlich einmal ein treuer Liebhaber”, sagte die Nachtigall. “Nacht für Nacht habe ich von ihm gesungen, obgleich ich ihn nicht kannte. Nacht für Nacht habe ich seine Geschichte den Sternen erzählt, und nun sehe ich ihn. Sein Haar ist dunkel wie die Hyazinthe, und sein Mund ist rot wie die Rose seiner Sehnsucht. Aber Leidenschaft hat sein Gesicht bleich wie Elfenbein gemacht, und der Kummer hat ihm sein Siegel auf die Stirn gedrückt.”

“Der Prinz gibt morgen Nacht einen Ball”, sprach der junge Student leise, “und meine Geliebte wird da sein. Wenn ich ihr eine rote Rose bringe, wird sie mit mir tanzen bis zum Morgen. Wenn ich ihr eine rote Rose bringe, wird sie ihren Kopf an meine Schulter lehnen, und ihre Hand wird in der meinen liegen. Aber in meinem Garten ist keine rote Rose, so werde ich einsam sitzen, und sie wird an mir vorübergehen. Sie wird meiner nicht achten, und mir wird das Herz brechen.”

“Das ist wirklich der treue Liebhaber”, sagte die Nachtigall. “Was ich singe, um das leidet er. Was mir Freude ist, das ist ihm Schmerz. Wahrhaftig, die Liebe ist etwas Wundervolles! Kostbarer ist sie als Smaragde und teurer als feine Opale. Perlen und Granaten können sie nicht kaufen, und auf den Märkten wird sie nicht feilgeboten. Sie kann von den Kaufleuten nicht gehandelt werden und kann nicht für Gold aufgewogen werden auf der Waage.”

“Die Musikanten werden auf ihrer Galerie sitzen”, sagte der junge Student, “und auf ihren Instrumenten spielen, und meine Geliebte wird zum Klang der Harfe und der Geige tanzen. So leicht wird sie tanzen, dass ihre Füße den Boden kaum berühren, und die Höflinge in ihren prächtigen Gewändern werden sich um sie scharen. Aber mit mir wird sie nicht tanzen, denn ich habe keine rote Rose für sie”. Und er warf sich ins Gras, barg sein Gesicht in den Händen und weinte.

“Weshalb weint er?” fragte eine grüne Eidechse, während sie mit dem Schwänzchen in der Luft an ihm vorbeilief. “Ja warum?” fragte ein Schmetterling, der einem Sonnenstrahl nachjagte. 

“Er weint um eine rote Rose”, sagte die Nachtigall. 

“Um eine rote Rose?” riefen alle, “wie lächerlich!”. Und die kleine Eidechse, die so etwas wie ein Zyniker war, lachte überlaut.

Aber die Nachtigall wusste um des Studenten Kummer und saß schweigend in der Eiche und sann über das Geheimnis der Liebe. Plötzlich breitete sie ihre braunen Flügel aus und flog auf. Wie ein Schatten huschte sie durch das Gehölz, und wie ein Schatten flog sie über den Garten.

Da stand mitten auf dem Rasen ein wundervoller Rosenstock, und als sie ihn sah, flog sie auf ihn zu und setzte sich auf einen Zweig. 

“Gib mir eine rote Rose”, rief sie, “und ich will dir dafür mein süßestes Lied singen.” 

Aber der Strauch schüttelte seinen Kopf. “Meine Rosen sind weiß”, antwortete er, “so weiß wie der Meerschaum und weißer als der Schnee auf den Bergen. Aber geh zu meinem Bruder, der sich um die alte Sonnenuhr rankt, der gibt dir vielleicht, was du verlangst.”

So flog die Nachtigall hinüber zu dem Rosenstrauch bei der alten Sonnenuhr. “Gib mir eine rote Rose”, rief sie, “und ich will dir dafür mein süßestes Lied singen.” Aber der Strauch schüttelte seinen Kopf. “Meine Rosen sind gelb”, antwortete er, “so gelb wie das Haar der Seejungfrau, die auf einem Bernsteinthron sitzt, und gelber als die gelbe Narzisse, die auf der Wiese blüht, ehe der Schnitter mit seiner Sense kommt. Aber geh zu meinem Bruder, der unter des Studenten Fenster blüht, und vielleicht gibt der dir, was du verlangst.”

So flog die Nachtigall zum Rosenstrauch unter des Studenten Fenster. “Gib mir eine rote Rose”, rief sie, “und ich will dir dafür mein süßestes Lied singen.” Aber der Rosenstrauch schüttelte den Kopf. “Meine Rosen sind rot”, antwortete er, “so rot wie die Füße der Taube und röter als die Korallenfächer, die in der Meergrotte fächeln. Aber der Winter ließ meine Adern erstarren, der Frost hat meine Knospen zerbissen und der Sturm meine Zweige gebrochen, und so habe ich keine Rosen dies ganze Jahr.”

“Nur eine einzige rote Rose brauche ich”, rief die Nachtigall, “nur eine rote Rose! Gibt es denn nichts, dass ich eine rote Rose bekomme?” 

“Ein Mittel gibt es”, antwortete der Baum, “aber es ist so schrecklich, dass ich mir es dir nicht zu sagen traue.” 

“Sag es mir”, sprach die Nachtigall ohne zu zögern, “ich fürchte mich nicht.”

“Wenn du eine rote Rose haben willst”, sagte der Baum, “dann musst du sie beim Mondlicht aus Liedern machen und sie färben mit deinem eigenen Herzblut. Du musst für mich singen und deine Brust an einen Dorn pressen. Die ganze Nacht musst du singen, und der Dorn muss dein Herz durchbohren, und dein Lebensblut muss in meine Adern fließen und mein werden.”

“Der Tod ist ein hoher Preis für eine rote Rose”, sagte die Nachtigall, “und das Leben ist allen sehr teuer. Es ist lustig, im grünen Wald zu sitzen und die Sonne in ihrem goldenen Wagen zu sehen und den Mond in seinem Perlenwagen. Süß ist der Duft des Weißdorns, und süß sind die Glockenblumen im Tal und das Heidekraut auf den Hügeln. Aber die Liebe ist besser als das Leben, und was ist ein Vogelherz gegen ein Menschenherz?”

So breitete sie ihre braunen Flügel und flog auf. Wie ein Schatten schwebte sie über den Gatten, und wie ein Schatten huschte sie durch das Gehölz. Da lag noch der junge Student im Gras, wie sie ihn verlassen hatte, und die Tränen in seinen schönen Augen waren noch nicht getrocknet.

“Freu dich”, rief die Nachtigall, “freu dich. Du sollst deine rote Rose haben. Ich will sie beim Mondlicht bilden aus Liedern und färben mit meinem eigenen Herzblut. Alles, was ich von dir dafür verlange, ist, dass du deiner Liebe treu bleiben sollst. Denn die Liebe ist weiser als die Philosophie, wenn die auch weise ist, und mächtiger als die Gewalt, wenn die auch mächtig ist. Flammfarben sind ihre Flügel, und flammfarben ist ihr Leib. Ihre Lippen sind süß wie Honig, und ihr Atem ist Weihrauch.”

Der Student blickte aus dem Gras auf und horchte. Aber er konnte nicht verstehen, was die Nachtigall zu ihm sprach, denn er verstand nur die Bücher. Aber die Eiche verstand und wurde traurig, denn sie liebte die kleine Nachtigall sehr, die ihr Nest in ihren Zweigen gebaut hatte. 

“Sing mir noch ein letztes Lied”, flüsterte sie, “ich werd mich sehr einsam fühlen, wenn du fort bist.” Und die Nachtigall sang für die Eiche, und ihre Stimme war wie Wasser, das aus einem silbernen Kruge rinnt.

Als sie ihr Lied beendet hatte, stand der Student auf und nahm ein Notizbuch und eine Bleistift aus der Tasche. Sinnend schaute er vor sich hin. 

“Sie hat Form”, sagte er zu sich, als er aus dem Gehölz schritt, “Sie hat ein Formtalent, das kann ihr nicht abgesprochen werden. Aber ob sie auch Gefühl hat? Ich fürchte, nein. Sie wird wohl sein wie die meisten Künstler: alles nur Stil und keine echte Innerlichkeit. Sie würde sich kaum für andere opfern. Sie denkt vor allem an die Musik, und man weiß ja, wie egoistisch die Künste sind. Aber zugeben muss man, sie hat einige schöne Töne in ihrer Stimme. Schade, dass sie gar keinen Sinn haben, nichts ausdrücken und ohne praktischen Wert sind.” Und er ging auf sein Zimmer und legte sich auf sein schmales Feldbett und fing an, an seine Liebe zu denken. Bald war er eingeschlafen. 

Und als der Mond in den Himmel schien, flog die Nachtigall zu dem Rosenstrauch und presste ihre Brust gegen den Dorn. Die ganze Nacht sang sie, die Brust gegen den Dorn gepresst, und der kalte kristallene Mond neigte sich herab und lauschte. Die ganze Nacht sang sie, und der Dorn drang tiefer und tiefer in ihre Brust, und ihr Lebensblut sickerte weg von ihr.

Zuerst sang sie von dem Werden der Liebe in dem Herzen eines Knaben und eines Mädchens. Und an der Spitze des Rosenstrauchs erblühte eine herrliche Rose, Blatt reihte sich an Blatt, wie Lied auf Lied. Erst war sie bleich wie der Nebel, der über dem Fluss hängt, bleich wie die Füße des Morgens und silbern wie die Flügel des Dämmers. Wie das Schattenbild einer Rose in einem Silberspiegel, wie das Schattenbild einer Rose im Teich, so war die Rose, die aufblühte an der Spitze des Rosenstocks.

Der aber rief der Nachtigall zu, dass sie sich fester noch gegen den Dorn presse. 

“Drück fester, kleine Nachtigall”, rief er, “sonst bricht der Tag an, bevor die Rose vollendet ist.” Und so drückte die Nachtigall sich fester gegen den Dorn, und lauter und lauter wurde ihr Lied, denn sie sang nun von dem Erwachen der Leidenschaft in der Seele von Mann und Weib. 

Und ein zartes Rot kam auf die Blätter der Rose, wie das Erröten auf das Antlitz des Bräutigams, wenn er die Lippen seiner Braut küsst.

Aber der Dorn hatte ihr Herz noch nicht getroffen, und so blieb das Herz der Rose weiß, denn bloß einer Nachtigall Herzblut kann das Herz einer Rose färben. Und der Baum rief der Nachtigall zu, dass sie sich fester noch gegen den Dorn drücke. 

“Drück fester, kleine Nachtigall”, rief er, “sonst ist es Tag, bevor die Rose vollendet ist.” 

Und so drückte die Nachtigall sich fester gegen den Dorn, und der Dorn berührte ihr Herz, und ein heftiger Schmerz durchzuckte sie. Bitter, bitter war der Schmerz, und wilder, wilder wurde das Lied, denn sie sang nun von der Liebe, die der Tod verklärt, von der Liebe, die auch im Grab nicht stirbt. Und die wundervolle Rose färbte sich rot wie die Rose des östlichen Himmels. Rot war der Gürtel ihrer Blätter, und rot wie ein Rubin war ihr Herz. Aber die Stimme der Nachtigall wurde schwächer, und ihre kleinen Flügel begannen zu flattern, und ein leichter Schleier kam über ihre Augen. Schwächer und schwächer wurde ihr Lied, und sie fühlte etwas in der Kehle.

Dann schluchzte sie noch einmal auf in letzten Tönen. Der weiße Mond hörte es, und er vergaß unterzugehen und verweilte am Himmel. Die rote Rose hörte es und zitterte ganz vor Wonne und öffnete ihre Blätter dem kühlen Morgenwind. Das Echo trug es in seine Purpurhöhle in den Bergen und weckte Schläfer aus ihren Träumen. Es schwebte über das Schilf am Fluss, und der trug die Botschaft dem Meere zu. 

“Sieh, sieh!” rief der Rosenstrauch, “nun ist die Rose fertig”. Aber die Nachtigall gab keine Antwort, denn sie lag tot im hohen Gras, mit dem Dorn im Herzen.

Um Mittag öffnete der Student sein Fenster und blickte hinaus. “Was für ein Wunder und Glück!” rief er, “da ist eine rote Rose! Nie in meinem Leben habe ich eine solche Rose gesehen. Sie ist so schön, ich bin sicher, sie hat einen langen lateinischen Namen”. Und er lehnte sich hinaus und pflückte sie. Dann setzte er seinen Hut auf und lief ins Haus seines Professors, mit der Rose in der Hand.

Die Tochter des Professors saß in der Einfahrt und wand blaue Seide auf eine Spule, und ihr Hündchen lag ihr zu Füßen. 

“Ihr sagtet, Ihr würdet mit mir tanzen, wenn ich Euch eine rote Rose brächte”, sagte der Student. “Hier ist die röteste Rose der Welt. Tragt sie heut Abend an Eurem Herzen, und wenn wir zusammen tanzen, wird sie Euch erzählen, wie ich Euch liebe.”

Aber das Mädchen verzog den Mund. “Ich fürchte, sie passt nicht zu meinem Kleid”, sprach sie, “und dann hat mir auch der Neffe des Kammerherrn echte Juwelen geschickt, und das weiß doch jeder, dass Juwelen mehr wert sind als Blumen.”

“Wahrhaftig, Ihr seid sehr undankbar”, rief der Student gereizt. Und er warf die Rose auf die Straße, wo sie in die Gosse fiel, und ein Wagenrad fuhr darüber. 

“Undankbar?” sagte das Mädchen, “ich will Euch was sagen: Ihr seid sehr ungezogen – und dann: wer seid Ihr eigentlich? Ein Student, nichts weiter. Ich glaube, Ihr habt nicht einmal Silberschnallen an den Schuhen, wie des Kammerherrn Neffe.” Und sie stand auf und ging ins Haus.

“Wie dumm ist doch die Liebe”, sagte sich der Student, als er fort ging, “sie ist nicht halb so nützlich wie die Logik, denn sie beweist gar nichts und spricht einem immer von Dingen, die nicht geschehen werden, und lässt einen Dinge glauben, die nicht wahr sind. Sie ist wirklich etwas ganz Unpraktisches, und da in unserer Zeit das Praktische alles ist, so gehe ich wieder zur Philosophie und studiere Metaphysik.” So ging er wieder auf sein Zimmer und holte ein großes, staubiges Buch hervor und begann zu lesen.

Bücher: Benedict Wells: “Hard Land”

Foto: Jabs

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Es hat großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.
Dabei tauchten sehr intensiv die Probleme auf, die junge Menschen beim Erwachsenwerden prägen. Schöne Erinnerungen an große Gefühle! Einzelne Tage wurden lebendig.
“Ich hab total Angst, so zu werden, wie ich bin!… Früher war alles viel schwerer, und trotzdem fühlte ich mich damals leichter…Das Leben ist nicht einfach, es ist hart und schnell. Die meisten Menschen machen eine Menge durch und denken dabei kaum nach. Ich weiß bis heute nicht, wer ich eigentlich war.”
“Kindsein ist wie einen Ball hochwerfen; Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.”
Außerdem erzählt Benedict Wells viel über das Trauern um geliebte, gestorbene Menschen, die nicht mehr mit uns leben, deren Einfluss aber noch sehr groß ist. Der Schmerz vergeht nicht, er kann lediglich zeitweise schwächer werden.

Bücher: Achim Bogdan: “Unter den Wolken”

Foto: Jabs

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Ein Buch, das mir von Freunden empfohlen wurde.
Ein interessanter Ansatz: Die jeweils höchsten Berge (Hügel) aller deutschen Bundesländer besteigen. Immer mit einem Partner, den der Autor mit der Bahn erreicht – löblich. Erste Skepsis kam auf. Alle Partner waren berühmte Zeitgenossen, die der Autor in seinem Beruf als Radiomoderator (bei Bayern 2) kennenlernte. Namdropping? Mehmet Scholl, Manuel Andrack, Felix Neureuther, Henning Scherf, Lars Riedel, Devid Striesow, Edgar Reitz, Rocko Schamoni, Kati Wilhelm, Margot Käßmann, Hans-Joachim Watzke, Judith Holofernes. Jedenfalls begann ich zu lesen. Wunderbar, dass Bogdahn glaubt, wie wohl alle Amateurkicker, wirklich alle Lebenssituationen mit Analogien aus dem Fußballsport erklären zu können. (Er hat sich als beinharter Fan vom TSV 1860 München den Künstlernamen “Sechzig” im Personalausweis eintragen lassen.)
Meine Neugier schwand aber. Bogdahn beschreibt seine Bahnfahrten sehr ausgiebig. Immer wieder werden die Bahnhöfe genannt, es geht andauernd um Zugverspätungen und Marotten von Mitreisenden. Großen Wert legt er auf die Dialekte der Regionen, in denen er sich befindet, und dann fallen ihm Ähnlichkeiten bei den Ortsnamen auf. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass alle möglichen Informationen im Buch untergebracht werden mussten. So viele Nebensächlichkeiten über Fußballvereine lenken von den Begegnungen mit den Wanderfreunden ab.
(Bogdan weiß zu berichten: “Der seltsamste Fußballverein in der DDR war für ihn Aktivist Schwarze Pumpe. Schwarze Pumpe (niedersorbisch Carna Plumpa)  ist ein Ortsteil von Spremberg in der Nähe von Hoyerswerda. Die Mannschaft war mal Mittelpunkt eines Sportskandals: 1970 wurd der zweiten Liga geschmissen und in die Bezirksliga verbannt. Der sozialistische Staat hatte nämlich Angst, von den Olympischen Spielen in München ausgeschlossen zu werden. Damals durften ausschließlich Amateure bei Olympia teilnehmen, auch im Fußball. Nun gab es aber im Osten Sportlerbrigaden, offiziell arbeiteten die Fußballer als Platzwart, Gärtner, Schlosser beim Verein, konnten so aber jederzeit trainieren. Sie waren verkappte Profis im Dienste staatlicher Betriebe oder Institutionen (Polizei, Armee, Staatssicherheit). Das war auch bei der Betriebssportgemeinschaft Aktivist Schwarze Pumpe der Fall, was Spione von der gegnerischen BSG Motor Warnowwerft Warnemünde herausgefunden hatten. Auch niederländische Sportfunktionäre sollen Wind davon bekommen haben, und damit fürchtete die DDR um die Olympiazulassung. Um einen Eklat zu vermeiden, wurde der Verein aus der Oberlausitz bestraft – ein Arbeiter-und Bauernopfer.”)
So musste der Leser den Eindruck gewinnen, dass der Autor alle irgendwie recherchierten Fakten zum Besten geben wollte, im Buch unterbringen wollte.
Das ließ das Lesen zäh und schließlich langweilig werden.

Bücher, Mattscheibe, Uncategorized: “Walden”

Foto: Jabs

Foto: Jabs

Großartiger Beitrag!
Es geht einfach um Demut, Achtsamkeit und Behutsamkeit im Leben im Einklang mit der Natur. 
(Und diese Begriffe sind auch noch wunderschöne Wörter.)
 
Über das Buch von Henry David Thoreau merkte ich schon mal an:
Der Roman gehört in die formale Kategorie “Das muss man unbedingt gelesen haben”. Viele Mitmenschen empfahlen nachdrücklich, es zu lesen. Ich vertraute dem Gedanken der Schwarmintelligenz. 
Das Buch ist auch heute noch für viele Zeitgenossen eine “Aussteiger-Bibel”. 
Mich erinnert es unablässig an den Club der toten Dichter, einen meiner Lieblingsfilme. (Zitat: “Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so herzhaft und spartanisch leben, dass alles, was nicht Leben war, aufs Haupt geschlagen würde. Ich wollte mit großen Zügen knapp am Boden mähen, das Leben in die Enge treiben und es auf die einfachste Formel bringen.”)
Das Experiment „Walden“ machte Thoreau klar, dass sechs Wochen Lohnarbeit im Jahr ausreichend sind, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er listet ganz akribisch auf, mit wie wenig Geld er auskam. Die verbleibende Zeit (über zwei Jahre) konnte er nutzen, um zu lesen, schreiben, nachzudenken und die Natur zu erkunden. Thoreau sucht und findet die Einsamkeit, trotzdem ist ihm Freundschaft ein wichtiges Gut. Es geht dabei aber um wahre Freunde, Schwätzer sind ihm ein Graus – Gespräche mit ihnen verlorene Zeit. Deshalb begegnet er nur wenigen Menschen.
Seine Antworten auf die umfassende Frage “Was braucht ein Mensch?”:
Wärme – Feuer für Nahrung, um den Körper funktionieren zu lassen und Kleidung, die Arbeit auch im Winter möglich macht. Man braucht einen Wohnraum. Wichtig ist emotionale Wärme – Zuwendung der geliebten Zeitgenossen. Alles Überflüssige gilt es zu vernachlässigen. Der “Mann im Wald” gibt unzählige Hinweise für den spartanischen Alltag, zum Brot backen, zum einfachen Essen kochen.
Es geht im Leben einfach darum, bescheiden und trotzdem glücklich zu sein.
Irgendwann beim Lesen begannen die praktischen Lebenstipps mich nicht mehr zu interessieren, zu langweilen.
Und im Verlauf der Geschichte dominieren endlose, wortreiche und überschwängliche Naturbeschreibungen, die mein Durchhaltevermögen testeten – ich habe mich wahrlich durchgekämpft.
Das Lesen insgesamt verkomplizierte sich durch die alte Rechtschreibung und den doch ungewohnten Ausdruck aus der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Oft musste ich lange nachdenken, um den Text auch nur annähernd zu verstehen: Was bedeutet das eigentlich? Dabei freute ich mich doch auf dieses Buch. Anscheinend bin ich zu blöd, um dieses Meisterwerk zu verstehen.
Man kann eine Menge großartiger Zitate finden (- das könnte Material für einen Wochenkalender sein): 
“Soll ein Mensch sich schämen, weil er zu einem Zwergengeschlecht gehört, anstatt der große Zwerg zu sein, der er sein kann?”
“Wahre Freude empfand er nur beim Schaffen eines Werkes.”
“Hast du Schlösser in die Luft gebaut, so war diese Arbeit nicht notwendigerweise vergeblich. Gerade dort sollen sie sich befinden. Jetzt gib ihnen ein Fundament.”
“Denn ein Mensch ist um so reicher, je mehr Dinge er unbeschadet am Wege liegen lassen kann.”
“Der Mensch, der nicht glaubt, daß jeder Tag eine frühere, heiligere und heller vom Morgenrot durchglühte Stunde mit sich bringt, als all diejenigen, welche er bereits entweihte, hat am Leben verzweifelt.”
“Manche Menschen sind ‘arbeitsam’, scheinen die Arbeit um ihrer selbst willen zu lieben oder weil sie dadurch von gröberen Unfug  abgehalten werden.” 
“Ich halte es für gesund, die meiste Zeit allein zu sein.”
“Er will nichts weiter von seinen Freunden als eine Gelegenheit, einmal im Jahr die Wahrheit zu sprechen.”
“Nur der Tag bricht an, für den du wach bist.”
“Gut lesen, das heißt, wahre Bücher in wahrem Geiste lesen, ist eine edle Beschäftigung, die an den Leser größere Anforderungen stellt als irgend ein Sport, der gerade modern ist.” 
“Bücher soll man mit derselben Sammlung und Bedachtsamkeit lesen, mit welcher sie geschrieben sind.”
“Ein See ist der schönste, strahlendste Schmuck einer Landschaft. Er ist der Erde Auge. Wer hineinschaut, mißt die Tiefe seines eigenen Wesens.”
 

Bücher: Volker Weidermann: Mann vom Meer

Foto: Jabs (Lübecker Bucht)

Foto: Jabs (Lübecker Bucht)

Thomas Mann und die Liebe seines Lebens
Volker Weidermann vermittelt Wissenswertes über das abenteuerliche Leben und intensive Schreiben des faszinierenden Schriftstellers Thomas Mann. Besonders beeindruckte mich die Beschreibung von Manns unfassbarer Liebe zur Ostsee, zur Lübecker Bucht. 
Buchzitate:
“Mein Herz schlägt stark und weiß warum.”
“Dieses mühe- und schmerzlose Schweifen und Sichverlieren der Augen über die grüne und blaue Unendlichkeit hun, von welcher,frei und ohne Hindernis, mit sanftem Sausen eub starker, frisch, wild und herrlich duftender Hauch daherkam, der die Ohren umhüllte und einen angenehmen Schwindel hervorrief, eine gedämpfte Betäubung, in der das Bewusstsein von Zeit und Raum und allem Begrenzten still selig unterging…”
“Er war nicht für Idyllen gemacht. Idyllen haben es an sich, gelogen zu sein. Und Kunst ist Wahrheit, sonst ist sie Kitsch.”
“Die Kunst ist das schönste, strengste, heiterste und frömmste Symbol alles übervernünftig menschlichen Strebens nach dem Guten, nach Wahrheit und nach Vollendung; und der Atem des rollenden Meeres der Epik würde uns nicht die Brust so lebensvoll weiten, wenn er nicht die Strenge und erquickende Würze des Geistigen und Göttlichen mit sich führte.”
“Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken; es heißt, sich aus den Dingen etwas machen.”
Der Autor Volker Wedermann kommt auch in der erhellenden Dokumentation zu Thomas Manns Zauberberg zu Worte: