Kino lohnt sich, macht Spaß!
Es ist schwer zu glauben, aber vielleicht gibt es ja doch noch Leute, die “Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit” noch nicht angesehen haben.
Jedenfalls saßen in der heutigen Vorstellung nur wenige Zuschauer und ich musste belustigt feststellen, dass ich mich nicht erinnern kann, vorher schon mal der Jüngste gewesen zu sein. Vielleicht liegt das aber ganz einfach am Thema.
Dieses filmische Meisterwerk behandelt die unpopuläre Problematik Tod.
Dabei zeigt sich die grausame Vereinsamung vieler Zeitgenossen (Filmzitat: “Das Schönste ist doch ein gutes Grab mit guter Aussicht”.)
Was bleibt von uns erhalten, wenn wir das Zeitliche segnen?
Die Bedeutung der Familie wird überdeutlich – zum Glück habe ich zwei geratene Söhne!
Der hinreißende Streifen bringt alle nicht gerade aus Hartholz geschnitzten Charaktere zum hemmungslosen Weinen. Ich verlor Unmengen an Tränen und sah demzufolge viele Szenen verschwommen, konnte aber der stringenten Handlung stets folgen.
Ein Bonmot liefern zwei Penner mit einer Whiskyflasche in der Hand: “Das wünschen sich doch alle Männer: Eine tolle Frau, mit der man still sein kann.”
Der sensationelle Hauptdarsteller, Eddie Marsan, erforscht die Umstände des Ablebens von Menschen, die ihr Dasein anscheinend ohne Angehörige zubrachten, schreibt die Trauerreden, organisiert deren Beisetzungen und ist ständig der einzige Besucher. Die Stelle dieses auch in einem tristen Zuhause so akkurat arbeitenden Mannes wird wegrationalisiert. Ein neuer schleimiger, karrieregeiler, Audi-fahrender Vorgesetzter entlässt ihn: “Wenn es keine Hinterbliebenen gibt, muss es keine Beerdigungen geben.”
Hier ist mir die Geschichte ein Plädoyer für eine aussterbende Einstellung zur Arbeit. Dieser John May agiert sehr nachdenklich, äußerst akkurat, aber auch langsam. Ihn beschreibt eine Szene vortrefflich: Beim Überqueren einer augenscheinlich unbefahrenen Straße blickt er jeweils zweimal nach links und rechts. Seine Nachfolgerin im Beruf schafft da anders: Sie kippt mehrere Urnen mit der Asche von Verstorbenen im Akkord in eine Grube.
Das Filmende ist so dramatisch, wie die Handlung eigentlich unspektakulär erscheint.
Mr. May erfährt wundersame Veränderungen.
Vor Begeisterung schreckt man auf, wenn der Mann nach seinem letzten Arbeitstag die Nobelkarosse seines Chefs anpinkelt! Er legt die bislang omnipräsente Krawatte ab, sein Gesicht erstrahlt in umwerfendem Lächeln und er verabredet sich mit einer jungen Frau zum Tee.
Für diesen Film ist es konsequent, dass die Wandlung nicht ungesühnt bleibt.
Der Held verunglückt.
Die Beerdigung, die er zuletzt organisierte, wird von unverhofft vielen Trauergästen besucht.
Sein Sarg wird hingegen einsam und unbeweint zu Grabe gelassen.
Das Herz des Filmfreundes bricht endgültig.
Auch die vielleicht kitschige Schlussszene, wenn all die Menschen, deren Schicksal nach ihrem Tod diese gute Mensch ergründete, schemenhaft auf dem Friedhof erscheinen, trübt den Gesamteindruck dieses großartigen und so schön traurigen Filmwerks keinesfalls.
Ein Hilfsarbeiter im Krematorium resümiert brillant: “Sie sind was Besonderes, Mister May!”