Günter de Bruyn “Der neunzigste Geburtstag”

Foto: Jabs

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Günter de Bruyn ist am 4. Oktober dieses Jahres in Bad Saarow gestorben.
In seinem letzten Roman beschreibt er kenntnisreich mittels famoser Schlaflichter ein ländliches Idyll im Brandenburgischen anhand einer aktuellen, auch politischen Auseinandersetzung. Das Lesen macht Spaß, zumal der Autor sich in der Person eines Romanprotagonisten nachdrücklich um Probleme der deutschen Sprache kümmert. Er erinnert in diesem flammenden Plädoyer für das gepflegte Deutsch an die Einlassungen von Christoph Hein. (Es amüsiert, wenn in der Handlung moniert wird, dass heute Redner oft Ansprachen an “Bürger und Bürgerinnen” halten. – Begrüßt man hier nicht die Frauen doppelt? – Bürger sind doch Frauen und Männer…)
Zitate, die mir aus der Seele sprechen:
“Die Welt wird erst zur Ruhe kommen, wenn jeder zu Hause bleibt.”
“Über die Kürze des Lebens könnte ich immerfort heulen, noch mehr aber darüber, dass es von mir vergeudet worden ist.”
“Dauertelefonierer waren in seinen Augen Kranke, die an erhöhtem Mitteilungsbedürfnis litten, das anscheinend unheilbar ist. Ihretwegen war das Mobiltelefon erfunden worden, diese subtile Form von Freiheitsberaubung und Überwachung, der sich die an Schwatzsucht erkrankte Masse freiwillig unterwarf.”
“Das kumpelhafte ‘Hallo’, das sich zu Leos Ärger immer mehr eingebürgert hatte, galt ihm als weiteres Beispiel für die grassierende Gleichmacherei. Statt sich einen guten Morgen, Tag oder Abend zu wünschen, zog man diese nichtssagende Floskel einer Differenzierung vor.”
“Der christlichen Tradition fühlte er sich verpflichtet, nicht aber einer Kirche, die dabei war, sich aller Traditionen zu entledigen, um sich der Zeit anzupassen, in der sie wahrscheinlich unterging.”
“Was du da beklagst, ist dein vielgepriesener Fortschritt, der für die menschliche Lebensspanne viel zu schnell geworden ist. Sich dem anzupassen ist nur ausgeprägten Mitläufertypen möglich. Anständig alt zu werden heißt, sich treu zu bleiben, also nicht mit der Hammelherde mitzugehen.”
“Jeder Sprachbewusste muss zwangsläufig zum Gender-Gegner werden und jenen europäischen und deutschen Behörden den Kampf ansagen, die die Sprachverrenkungen der Gender-Vertreter amtlich gemacht haben, mit dem Ergebnis, dass sich die Behördensprache noch weiter als gewöhnlich von der Alltags- und Litereratursprache entfernt.”
“Die Behauptung der Sprachverderber, dass der Esser, der Einwohner oder der Raucher die essenden, einwohnenden und rauchenden Frauen unberücksichtigt lasse, ist so unsinnig, als behaupte man, die Person bezeichne nur Frauen oder die Gemeinschaft unterschlage die Männer in ihr. Offensichtlich ist den Schöpfern der sogenannten geschlechtergerechten Sprache noch nicht aufgefallen, dass das grammatische Geschlecht in unserer Sprache nicht immer auch das biologische meint.”
“Als geschlechtergerecht kann doch wohl auch nicht gelten, dass das sogenannte Gendern bei negativ besetzten Benennungen unterbleibt. Bei Betrügern, Gewalttätern oder Trickdieben hat noch keine Gender-Professorin Klagen über die Unterschlagung der Frauen verlauten lassen.”
de-Bruyn