Weihnachtsgeschichte 2018

Foto: Jabs

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In der traditionellen Weihnachtsgeschichte der Berliner Zeitung fiel mir ein erzählerischer Kunstgriff des mit Literaturpreisen überhäuften Schriftstellers/Journalisten Alexander Osang auf, den mir meine Deutschlehrer seinerzeit sicher angekreidet hätten :

…Clara, ihre Tochter, hatte ein Austauschjahr in Idaho, wo es jetzt erst mittags war. Die Gasteltern waren Mormonen, was sie vorher nicht gewusst hatte. Clara hatte aber gesagt, es gebe nur eine Frau im Haushalt. Benjamin arbeitete in einem Hotel in Amsterdam, nachdem er sein Studium für internationale Politik in Maastricht abgebrochen hatte. Es hatte Thomas umgeworfen. Er hatte seine Zukunftshoffnungen auf seinen Sohn konzentriert. Thomas war in der Nacht nach Maastricht gefahren, um seinen Sohn zu bekehren, aber er hatte ihn nicht mehr gefunden. Er war durch die fremde Stadt geirrt und wieder zurückgekehrt…

…„Frohe Weihnachten“, sagte sie.

„Frohe Weihnachten“, sagte er.

„Was ist mit Ihrer Frau passiert?“, fragte sie.

„Sie hat gesagt, sie wäre lieber Sie“, sagte Beil.

„Ich?“

Das waren ihre letzten Worte.“

Sie lachte, es war ein raues, heiseres Lachen. Sie trank die Hälfte ihres Drinks aus. Sie nickte dem Barmann zu. Dann trank sie die andere Hälfte aus.

„Sagen Sie ihr bitte, das wäre nichts für sie“, sagte sie.

Beil nickte. Er sah auf die Uhr und zahlte.

„Ich muss noch in die Kirche“, sagte er.

„Halleluhja“, sagte sie.

„Ja“, sagte er