Wer ungestörte Vorstellungen im Kino um die Ecke erleben will, sollte in Berlin die Tage zwischen dem Weihnachtsfest und Neujahr nutzen!
Zu dieser Hochzeit der Filmfreunde sind die Lichtspielhäuser traditionell angenehm spärlich besucht.
Dem 60-jährigen, aber anscheinend nicht alt werdenden Kultregisseur Jim Jarmusch mit dem famosen Musikgeschmack gelang wieder mal ein großartiger Wurf: “Only Lovers Left Alive” ist gerade angelaufen!
Eine traurigwunderschöne Vampirgeschichte und ein richtiger Liebesfilm. Der Meister spielt ja gern mit großen Themen: “Dead Man” – Western, “Ghost Dog” – Samuraifilm, “Down by Law” – Gefängnisausbruch, nun bearbeitet er das Sujet der ewigen Blutsauger mit spitzen Zähnen.
Leider dreht J. J. nicht mehr in Schwarzweiß, erstmals sogar digital. Trotzdem faszinieren über zwei Stunden tolle Bilder, der Mann muss augenscheinlich die Fotografie lieben – sorgsame Draufsichten begeistern neben seinen bekannten Kameraparallelfahrten. Die Bilder aus dem scheinbar menschenleeren Detroit beeindrucken ungemein. (Das Michigan Theatre war ein Kino mit 4000 Sitzplätzen und ist heute ein Parkhaus.) Hier lebt zurückgezogen ein Technik (Tonbandgeräte, Schallplatten, Verstärker) und wertvolle alte Instrumente liebender Undergroundmusiker (früher arbeitete er für Franz Schubert, heute macht er Trauermusik). Seine Frau kommt aus der Altstadt Tangers. Es berührt, wie liebevoll diese Frau (die brillante Tilda Swinton!) ihre Bücher behandelt. Die Wohnungen der beiden Vampire sind so angenehm verräumt, man würde sich dort bestimmt sehr wohlfühlen. Und das seit Jahrhunderten einander treue Liebespaar mit manchmal blutigen Lippen ist so kultiviert, so gebildet. Es leidet zu allen Zeiten unsäglich unter der Dummheit der Menschen (das sind hier die “Zombies”). Heute ist die Welt, in der sie existieren, von Verfall geprägt: Die Bevölkerung ist ungebildet und von Medien verblödet, die Umwelt wird vergiftet (“Ich habe keine Helden”, “Bescheidenheit bringt dich doch nirgendwo hin!”). Die selbstverständlich in der Nacht angesiedelte Story dieses Geniestreichs erzähle ich natürlich nicht.
Tolle Musik führt durch die Handlung: Sqürl, das ist übrigens die Band von Jim Jarmusch! Bleibenden Eindruck hinterließen die wahnsinnigen Augen Tilde Swintons als sie unbedingt ihr Gläschen Blut braucht.
“Ein Haar in der Suppe” habe ich gefunden – bei der deutschen Synchronisation. Für meinen Geschmack passen einige zeitgenössische Wörter/Sätze nicht recht in den Duktus der sonstigen Sprache, sie störten mich: “Baby”, “Scheiße”, “Ich will Spaß haben”, “Wie schräg ist das denn?”, “Fickt euch!” (obwohl das passendere “Fuck you” auch vorkommt), aber man kann ja die untertitelte Originalfassung ansehen.
Übrigens wird auffällig oft ein Mobiltelefon mit dem gut sichtbaren “angebissenen Apfel-Logo” in die Kamera gehalten…
Am Schluss stellt die Hauptfigur die Frage zur Lage der heutigen Gesellschaft: “Sind die Ölkriege schon vorbei? Haben die Wasserkriege schon begonnen?”
http://www.spiegel.de/kultur/kino/jim-jarmusch-film-only-lovers-left-alive-a-940657.html