Marcel Bergmann: “Wo die Sonne auch nachts scheint”

Foto: Jabs

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Ein Buch, das mich hin-und hergerissen hat.
Marcel Bergmann führt dem Leser sein dramatisches Schicksal vor Augen.
Er beschreibt ausführlich eine wahnsinnig schwierige Zeit im Krankenhaus, bis hin zum Nachdenken über einen Selbstmord.
Irgendwann war mir das etwas zu viel Selbstmitleid.
Aber immer wenn diese Gefahr drohte, sich Bahn zu brechen, geschah eine wohltuende Wendung.
Es kam mal ein Musikprofessor in die Geschichte, der wegen seiner einnehmenden Persönlichkeit und seiner angenehmen Begeisterung für klassische Musik neue Ebenen in der Gedankenwelt Bergmanns eröffnete. Die gedanklichen Ausflüge in Kunstgeschichte, Musiktheorie u. a. sind verdammt interessant und lehrreich. Wenn es aber zu sehr ins Detail geht, hielt mein Lesespaß nicht immer Schritt.
Mich störten die vielen Fotos von Marcel Bergmann mit berühmten Personen (dreimal Jupp Heynckes, fünfmal Shakira, dreimal Plácido Domingo, dreimal Horst Köhler, dreimal Boris Becker, fünfmal Paul Bocuse, viermal Zinédine Zidane, viermal Roger Federer u. v. a.) – das erschien mir zu selbstverliebt.
Und dann überzeugt er aber wieder mit ungewöhnlich offenen Beschreibungen des Sex-Lebens eines Mannes, der an den Rollstuhl gebunden ist.
Sehr gut kann ich nachvollziehen, dass der Autor sich mit dem Schreiben eines Buchs vom Alltag im Krankenhaus zu befreien versucht.
Das Ende der Erzählung ist klasse. Bergmann sieht die Gefahr, dass man sein Buch kitschig finden kann, aber es ist nun mal seine Geschichte!
Zitate aus “Wo die Sonne auch nachts scheint”:
“Was wir beim Betrachten anderer Menschen sehen, hängt auch von der Reinheit unseres Fensters ab, durch das wir hindurch blicken.”
“Ich baue meinem Herzen ein Grab, damit es ruhen möge, ich spinne mich ein, weil überall Winter ist, in sel’gen Erinnerungen hüll ich vor dem Sturm mich ein. (Friedrich Hölderlin)”
“Wir träumten voneinander und sind davon erwacht, wir leben, um uns zu lieben, und sinken zurück in die Nacht.”
“Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt. (Blaise Pascal)”
“Einem Mädchen nachzulaufen, in das man verliebt ist, hat noch niemandem geschadet, aber die Probleme können spätestens auftreten, wenn man sie eingeholt hat.” (Dieses Zitat unterschreibe ich mit Herzblut.)